Es war mein Geburtstag und ich wollte mir eine besondere Freude machen. Ein Rundflug im offenen, nostalgischen Doppeldecker. In unserer Stampe SV4C, gebaut im Jahre meiner Geburt.
Die Stimmung an dem kleinen Sportflugplatz, an dem wir als Berliner Flieger schon mehr als nur Gäste im niedersächsischen Verein aufgenommen waren ist ganz nah an dem Idealbild der Fliegerfolklore, wie wir sie gerne im Kino zu Zeiten der Barnstormers gesehen haben. Die Tage sind gefüllt mit der Wartung des betagten Motors und gelegentlichen Flügen, um den Trainingsstand im Kunstflug zu halten. Allabendliches gemeinsames Kochen und lange Gespräche am Lagerfeuer. Es sind nur wenige Meter von unserer Unterkunft, einem Holzhaus Ensemble am Rande der Piste bis zum Hangar. Während unseres Wegs dorthin erkenne ich das Problem.
Ein steifer Ostwind. Keine Ahnung, bestimmt 15 bis 20 km/h. Quer zur Start- und Landebahn. Viel zu stark für den Flugbetrieb mit einen Tail-Dragger. So nennt man Spornrad gesteuerte Flugzeuge. Und unsere Stampe hat ein Spornrad, allerdings ist dieses nicht gesteuert.
Wo ist das Problem? Wir betreiben ein Spornrad gesteuertes Flugzeug, dessen Sporn lediglich ein nachlaufendes Rad ohne Lenkfunktion hat. Ja klar. Zu seiner Zeit war das von untergeordneter Bedeutung, weil Flugplätze keine ausgewiesene Start- und Landebahn besaßen, sondern Starten und Landen immer genau in Windrichtung gewählt wurde, also als Flugfeld kreisrund angelegt waren.
Unser Flugplatz ist nicht kreisrund angelegt, hat aber quer zur Bahn eine lang gestreckte Abstellfläche für Flugzeuge, die nicht hangariert oder zu Besuch gekommen sind und draußen stehen. Und heute, an meinem Geburtstag war diese Grasfläche frei und ich beschloß nach einer Begehung zu Fuß meine Landerichtung für meinen Geburtstagsflug hier zwischen den Landereitern quer zur Bahn zu definieren.
Also los. Gemeinsam mit Freunden, es war gerade mein Freund Tadajoshi aus Japan zu Besuch, schoben wir die Hallentore auf und den bis dahin noch völlig integren Doppeldecker an die frische Brise der Maienluft.
Jetzt heißt es gemeinsam den Flugveteran startklar zu machen. Also mindestens dreißig Umdrehungen der Zweiblättrigen Luftschraube sollen das Öl im Motor verteilen und die Schmierung vorbereiten. Dann schon mal die manuelle Spritpumpe bedienen bis eine Druckanzeige erkennbar war. Auf bordeigene Pressluft für den Startvorgang müssen wir heute verzichten, die Flasche ist mal wieder leer. Also bereiten wir uns auf den Startvorgang per Hand vor. Ich sitze im hinteren Sitz, bin mit voller Montur, Fallschirm, Haube und Brille hineingeklettert und habe die Gurte des vorderen Fluggastsitzes geschlossen und die Kopfhörer herausgenommen. So mitten in der Woche ist der Turm auf unserem Platz nicht besetzt und ich habe meinen Geburtstagsflug vor mir, so ganz ohne Gebammele des Kopfhörerkabels beim Kunstflug.
Es sind einige Versuche nötig um den Renault P04 zum Sprechen zu bringen. Mit einem Schuß Äther aus der Sprühflasche in den Ansaugstutzen des Vergasers und einem kräftigen Ruck am Propeller spucken dann die Krümmer, wie gewohnt in gemächlichem Takt die Flammen ins Gras. Alles klar. Ich kehre, wie vor jedem Start in mich und lasse den Motor warm laufen.
An dieser Stelle soll es gesagt sein: Seit der Entscheidung trotz starker Brise quer zur Bahn doch quer zur Bahn zu starten und auch zu landen, ist eine Stunde vergangen. Die mentale Vorbereitung meines Geburtstagsflugs enthielt Einzelheiten zum Kunstflugprogramm, eine gute Wahl der Box um nicht nur vor der Sonne rum zu fliegen und natürlich das An- und Abrollen, usw.
Starkwind ist im mentalen Briefing Speicher schon auch klar, kein einfacher Flug. Aber was vorweg bemerkt nicht genug war. Es war nicht Starkwind quer zur Bahn, wie immer, aus der Hauptwindrichtung SW, beziehungsweise dann eben West, sondern Ost. Das dreht die Sache um und ist ein ganz anderer Fall.
Zur Überraschung meiner Zuschauer, es waren eine Handvoll Segelflieger von dem typischen Geknattere des Doppeldeckers aus der Halle gekommen, bog ich in die falsche Richtung zum Startpunkt ab und das vermeintlich freundliche Winken und die Hände mit ausgestrecktem Zeigefinger zur Stirn deutend hatten keine tiefere Bedeutung für mich.
Ich bin selten alleine in Flugzeug, habe so oft es geht jemanden mitgenommen. So fiel es mir auch nicht auf, daß der Startlauf zwar etwas wabbelig und relativ müde vom Bodenweg ging, aber gut. In Wirklichkeit hatte ich ein sehr niedriges Take-Off-Weight, und ein Start mit starkem Rückenwind ließ die Alte Dame doch irgendwie abheben, wenn auch mit intensiver Ruderaktivität.
Steigflug, Einflug in die Kunstflugbox. Zwei schnelle Wechsel aus der Normalfluglage in die um 90 grad gedrehte Messerfluglage zur Anzeige: Beginn des Programms.
Ich stellte schnell fest, daß das übliche Kunstflugprogramm modifiziert werden mußte. Alle Figuren gegen den Wind führen dazu, daß ich einigermaßen in der Box blieb, mit dem wind hat es mich kräftig verblasen, sodaß ich längere Geradeausflüge einlegen mußte um nicht am Horizont zu verschwinden.
Einen weiteren Durchlauf des Kunstflugprogramms führt zu ähnlichen Ergebnissen. Ich kann mir meine schlechte Tagesform nicht so recht erklären. Jedenfalls hatte ich keineswegs bemerkt, daß ich schon mit Rückenwind gestartet war und daß der Versatz in der Kunstflugbox einen Aufschluß diesbezüglich hätte geben können.
Leicht abgekämpft mache ich meine Landevorbereitung. Im weit ausladenden Slip drehe ich in meinen Anflug. Mit Rückenwind kommt die Landebahn schneller auf mich zu, als ich meine Sinkrate anpassen kann.
Kurzer Check: Der Gashebel ist auf IDLE, also Leerlauf. Da fällt es mir ein: manchmal hakt das Gasgestänge und in Leerlaufstellung dreht der Motor doch noch zu schnell.
Ja also: Zündung aus. In meiner bärenstarken seitlich hinabgleitenden Fluglage bleibt der Propeller sofort stehen, ich bin im Segelflug. Leider ohne den gewünschten Effekt dem Boden näher zu kommen, was jetzt dringend nötig wird, weil ich bereits die Flugplatzgrenze überfliege und viel, viel zu hoch bin.
Jetzt denke ich mit stehender Latte auch nicht mehr an den GO-AROUND. Ein Durchstarten hatte ich in den vielen Jahren meiner Praxis nicht gebraucht. Ich darf sagen, dazu konnte ich zu gut fliegen und hatte noch immer Mittel und Wege gefunden die Fluglage zu beherrschen.
Zu spät. Ich nähere mich jetzt dem Boden mit Überfahrt, bin affig schnell und presse den Vogel auf das Hauptfahrwerk und schon kommt das Ende meiner Flugplatzwiese auf mich zu gerast.
Mit einem verzweifelten kräftigen Tritt ins linke Seitenruder zwinge ich das alte Mädchen in einen Powerslide, der den Vogel in die Linkskurve zwingt und natürlich nach rechts bedrohlich zur Seite neigt, sodaß der rechte Flügel schon den Boden berührt.
Doch schon ist die gepflegte Flugplatzwiese zu Ende, ein kleiner Graben trennt uns jetzt vom gepflügten Acker daneben. Dort in dem Graben streifen wir das Fahrwerk ab und jetzt hakt der Randbogen der rechten, unteren Fläche in den weichen Ackerboden ein und hält den Flügel rechts fest.
Durch diesen Stopp kann der linke Flügel mit dem vom Drehpunkt entfernten langen Radius nach vorn beschleunigen, erzeugt durch diese Kinematik eine zusätzliche Auftriebsenergie, die den linken Flügel soweit anhebt, daß es zu einer rollenden und sehr flüssigen Boden-Kunstturnfigur ausartet, die mit einer Rhönradbewegung vergleichbar ist.
Also: erst rechte Flügelspitze einstecken, den Flieger hochstellen und um die jetzt quasi parallel zur Wiese liegenden Hochachse des Doppeldecker rollen, Motor, linke Fläche, Schwänzchen, rechte Fläche ... dann ist Ruhe.
Es ging für mich alles sehr sanft ab. Keinerlei Schleudertrauma. Nur das Krachen der Holzteile im Flügel und Rumpf. Der Motor hatte lange vorher ja schon geschwiegen.
Ich schnalle mich los und springe raus aus Angst daß sich der Sprit entzündet, der jetzt in kleinem Rinnsal herausläuft.
Fassungslosigkeit.
Ich drehe mich immer wieder weg und hoffe, wenn ich mich dem Bild zuwende, daß alles nur ein Fake war. Doch das Stillleben ändert sich erst mal nicht und die Szene bleibt beharrlich Bestandteil meiner Geburtstagsmission. Sie brennt sich ein in mein Fliegergehirn.
Text © fluegeldoktor monograpien
Text © fluegeldoktor monograpien
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